Das Leben im Moment

Der Begriff „Achtsamkeit“ ist heute in aller Munde und weckt bei vielen Menschen bestimmte Assoziationen mit Meditation und anderen fernöstlichen Praktiken. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine alte Methode in neuem Gewand. Doch was genau versteht man darunter und warum hat es so viele Vorteile im Moment zu leben und die Aufmerksamkeit nach innen zu richten?

 

Bei den meisten Menschen geht bereits frühmorgens schon nach dem Aufstehen der „innere Autopilot“ an. Das bedeutet, dass sie mit ihrer Aufmerksamkeit oft nicht bei dem sind, was gerade gegenwärtig passiert: Unter der Dusche denken sie bereits über die Termine des Tages nach, während dem Frühstück wird die Zeitung gelesen, oder es läuft die „Guten Morgen“-Sendung nebenbei im Fernsehen und wenn sie Kaffee trinken, denken sie bereits ‚Ich muss los’! Hinzu kommt, dass ihre Gedanken ständig um vergangene oder zukünftige Ereignisse kreisen und bei vielen auch ein ständiges Vergleichen mit anderen zur Gewohnheit geworden ist. Den meisten fällt dabei gar nicht mehr auf, wie selten sie achtsam sind und den gegenwärtigen noch Moment in seiner Gesamtheit erleben.

 

Wie oft erleben Sie bewusst das Hier und Jetzt? Wie oft kreisen Ihre Gedanken um vergangene und zukünftige Ereignisse und wie oft versuchen Sie mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen?

 

Achtsamkeit zielt darauf ab das eigene Bewusstsein mehr im Hier und Jetzt zu verankern und dem gegenwärtigen Moment aktiv mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie beinhaltet auch das „Akzeptieren lernen“, indem man seine Aufmerksamkeit auf die eigenen Gedanken, Gefühle und die eigene gegenwärtige Situation richtet, ohne diese zu bewerten. Um im Moment leben zu können, ist es wichtig den inneren Autopiloten abzustellen und das Gedankenkreisen zu stoppen.

 

„Wenn du etwas ändern willst, musst du erst mal verstehen, wie du den Zustand herstellst.“ (Moshe Feldenkrais)

 

Ein typischer Fehler, den viele Menschen im alltäglichen Leben begehen, ist das Multitasking. In der Schule und in der Arbeitswelt, aber auch im privaten Leben, versuchen sie ständig mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Dabei wissen Expert*Innen längst, dass das menschliche Gehirn das nicht kann. 

Tatsache ist, dass das ständige Hin- und Herschalten zwischen mehreren Aufgaben unser Gehirn enorm anstrengt. Es führt zu Fehlern, erzeugt Stress und verbraucht Unmengen an Energie. Die dadurch entstandenen Fehler müssen immer wieder korrigiert werden, wodurch letztlich in Wirklichkeit mehr Zeit aufgewendet werden muss, als es gekostet hätte, die Aufgaben bewusst nacheinander zu erledigen.

 

Achtsamkeit im alltäglichen Leben zu integrieren und zu üben trägt dazu bei, sich solchen Dingen bewusst zu werden. Dafür ist es wichtig zu lernen in sich hineinzuhorchen und hineinzufühlen. Zu Beginn hilft oft bereits, wenn man sich während des Tages immer wieder einmal fragt: Was mache ich gerade? Wie mache ich es? Wie fühle ich mich dabei?

 

Beim Achtsamkeitstraining geht es darum, seine Aufmerksamkeit aktiv und bewusst auf den eigenen Körper, die Atmung und die eigenen Gedanken und Emotionen zu richten. Es geht nicht darum, negative Gedanken und Gefühle zu unterdrücken, sondern jeden Gedanken und jedes Gefühl ganz bewusst wahrzunehmen, sich bewusst zu sein, was gerade im Innen und Außen passiert – quasi als Beobachter des eigenen gegenwärtigen Moments, ohne zu urteilen oder zu bewerten.

 

Hier ein paar Methoden, wie Achtsamkeit von jedem im Alltag praktiziert werden kann:

 

  • Richten sie Ihre Aufmerksamkeit zwischendurch immer wieder einmal auf Ihren Atem – besonders, wenn Sie in einer Situation starke Emotionen oder Stress erleben.
  • Nehmen Sie sich zwischendurch immer wieder einen Augenblick Zeit, um Ihre ganze Aufmerksamkeit bewusst darauf zu richten was sie gerade in diesem Moment alles wahrnehmen, was sie sehen, alle Geräusche und auch Gerüche, die normalerweise vielleicht an Ihnen unbemerkt vorbeigehen würden, ohne, dass sie Ihnen bewusst werden.
  • Richten sie Ihre Aufmerksamkeit bewusst darauf, was Sie durch Ihren Körper wahrnehmen. Wie fühlt sich zum Beispiel das Wasser auf Ihrer Haut an, wenn sie morgens duschen, wie fühlt sich der Boden unter Ihren Füßen an, oder der Sessel auf dem Sie gerade sitzen?
  • Werden Sie sich zwischendurch über Ihre Gedanken und Gefühle bewusst, ohne diese zu bewerten. Seine eigenen Emotionen bewusst wahrzunehmen kann helfen, auch negative Emotionen als normalen Teil menschlichen Erlebens zu akzeptieren und sie nicht mehr als unnormal oder gar bedrohlich zu erleben.

 

Achtsamkeitstraining in sein tägliches Leben zu integrieren kann dabei helfen, bewusster durchs Leben zu gehen, weniger Stress und mehr Gelassenheit zu erfahren und besser mit sich selbst und anderen zu kommunizieren. Es ist eine Alltagserfahrung, um in jedem Augenblick des Lebens präsent zu sein, allen Facetten des Lebens Raum zu geben, sie anzunehmen und sich Schritt für Schritt mit dem eigenen Lebensweg vertraut zu machen.

 

Achtsamkeit kann zum Beispiel kultiviert werden, durch: 

 

  • Meditation
  • Auf den eigenen Atem achten
  • Monotasking bei der Bewältigung von alltäglichen Aufgaben
  • Weniger Zeit mit dem Smartphone oder vor dem TV-Gerät verbringen
  • Zeit in der Natur verbringen
  • Gesundes und bewusstes Essen
  • Zeit mit sich alleine verbringen
  • Im Umgang und in den Beziehungen zu anderen Menschen

 

Die hier beschriebenen Methoden sind nur ein kleiner Teil der zahlreichen unterschiedlichen und möglichen Zugänge zu gelebter Achtsamkeit.  Auch regelmäßiges und bewusstes spazieren gehen, stille Gebete zwischendurch, Warten in der Warteschlange oder im Stau,  sowie Yoga und vieles mehr können dazu genutzt werden und dabei helfen den Alltag achtsamer und bewusster zu leben, mehr Gelassenheit zu entwickeln und entspannter im Umgang mit sich selbst und anderen zu sein.  

 

(©Mag. Thomas Rotter, BA pth.)

 

Quellen:

Lohmann, B./ Annies, S. (2018): Achtsamkeit in der Verhaltenstherapie. Störungsspezifische Interventionen und praktische Übungen. 1. Auflage. Stuttgart: Schattauer

Heidenreich T./ Michalak J. (2009): Achtsamkeit. In: Margraf J., Schneider S. (eds) Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Springer, Berlin, Heidelberg

 

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